Hexa, Geister, Gilche, Hofnarren und Co.

Altingen: Traditionsreicher Fasnetsumzug lockt neben vielen Besuchern über 40 Narrengruppen an

Jung und Alt kommt beim Altinger Narrenumzug zusammen GB-Fotos: Holom

Zum 26. Mal folgen Narren aus nah und fern dem Ruf der Altinger Fasnetszunft. Viele treiben beileibe nicht zum ersten Male ihr Unwesen auf der Schwedenstraße. 42 Gruppen sorgen mit dafür, dass sich das Dorf im fantasiegeladenen alemannischen Ausnahmezustand befindet. Wie gehabt wird Altingens Hauptstraße zur Festmeile: Nach dem Umzug ist vor der Party.

Rüdiger Schwarz

Countdown läuft - Ist für Kirchgänger das Läuten der Kirchenglocken das Zeichen zum Aufbruch, machen sich Fasnetbegeisterte beim Einsetzen der laut dröhnenden Disco-Beats auf die Socken. Also los zur Schwedenstraße. Immer Richtung Helene Fischer oder Flippers auf House Beats. Ohne aufgesetzte Masken schleifen die Hexen noch lässig ihren Besen hinter sich her. Das wird sich ändern. Am Wegesrand werden vor allem die jüngeren Narren in plüschigen Ganzkörperkostümen zu kleinen Tigern oder grünen Drachen. Olle Klamotten aus dem Kleiderschrank tun es für die Verkleidung auch allemal. Seit einigen Jahren schon geht der Trend bei jungen Männertrupps zu neongelben oder roten Arbeiterlatzhosen. Die Träger einfach lässig herunterbaumeln lassen und das Wichtigste nicht vergessen: den Trinkbecher. Dagegen sind die Uniformen der Ammerbucher Feuerwehr und des Roten Kreuzes kein Narrenspaß und ernst zu nehmen. Fotoapparate werden gezückt. Ein letztes "Arabi, arabi,
guli guli guli guli ram sam sam" ertönt. Dann gibt Zeremonienmeisterin Yvonne Schwertfeger das Zeichen: "Musik aus!" Es kann losgehen.

Und noch mehr Hexen - Mit ihrer runzeligen und knorrigen Haut, all den Haken- nebst Krummzinken, den Zahnstumpen oder scharfen Hauern eines Ebers werden sie wohl kaum Deutschlands nächstes Top-Model. Dafür lehren sie mit ihren mal mehr, mal weniger fiesen und gruseligen Fratzen das Fürchten. In Altingen gibt es sie zuhauf zu sehen. Etwa die Pfrondorfer Waschbachhexen. Fische an Kinn und Stirn nebst algenförmige Augenbrauen geben den Fingerzeig, woraus sie entstiegen sind: einem früheren Fischteich. Desgleichen stammen die Pfäffinger Sumpfhexen aus feuchtem garstigen Urgrund. Vor ihrem grotesken Meister und Antreiber mit seiner drachenartigen und zubeißenden Schnauze sollte man sich noch mehr in Acht nehmen. Dagegen wirken die Oberjesinger Schnaihexa fast wie knitz verschmitzte alte Weiblein. Natürlich haben all die Hexen ihren Hausrat mitgebracht. In Kesseln brodelt und dampft es. An den Hexenkarren baumeln Tierschädel. Manche fahren ein ganzes Hexenhaus auf. Das bekommt jetzt nicht Hühnerbeine, wie die Hütte der Baba Jaga. Dafür dreht sich auf der Behausung der Luggahexa aus dem Heckenbeerlesgäu eine Art Ventilator aus Reisigbesen. Ganz nebenbei wissen sie rauchende Duftmarken zu setzen: "Da stinkts", es sticht es nicht nur Yvonne Schwertfeger ordentlich die Nasenflügel hoch.

Gilche, Geister und Knechte - Mit die beeindruckendsten Masken stülpen sich Aspenwalder Knechte und Siebentäler Katzenbachgeister über.

Die teuflischen Zombieknechte mit den ellenlang gewundenen Widderhörnern sind direkt einem Waldstück bei Öschelbronn entflohen. Da der durch Bebenhausener Mönche auf sie gelegte Bannfluch ein gutes Stück von seiner Wirkung eingebüßt hat, treibt die wilde und mehr als unheimliche Horrorbande nicht nur in Öschelbronn, sondern auch in Altingen ihr Unwesen. Ob der Mönch in ihrem Schlepptau das Schlimmste wird verhüten können? Über die skurrilen und schrillen Masken der Katzenbachgeister meint man dagegen, in einen psychedelischen Traum abzutauchen. Die Pfäffinger Waldgilche scheinen auf den ersten Blick zwar furchteinflößend. Doch laut Legende haben sie ein sanftmütiges Wesen und halfen einst den Dorfbewohnern den "bösen Watz" auf immer und ewig vom Leib zu halten.

Hofnarren, Mohopser und Clowns - Mitunter tummeln sich recht launige und spaßige Gesellen auf Altingens Gassen. Dem Jahrhundertsturm "Lothar" sei dank hat sich der dunkle Tannenwald bei Mühlheim-Renfrizhausen gelichtet. So holte man die humorigen und viel Schalk im Nacken habenden Hofnarren aus Walddickicht und Vergessensein. Die Sage will es, dass sie auf einer mittelalterlichen Fliehburg die dort vor den Belagerungen durch Ritter und Räuber schutzsuchende Bevölkerung aufheiterten. Die Narrengilde Göttelfingen - mit 44 Jahren die älteste Gruppe unter allen Umzugsteilnehmern - schickt die Mohopser mit ihren schnippischen und fröhlichen Mondgesichtern ins närrische Rennen. Im Schlepptau fahren Clowns kunterbunt mal mit Badewanne oder anderem neckisch motorisiertem Gerät durcheinander.

Quirlig Tierisches - Einst wuselten umtriebige Marder auf den zahlreichen Bauernhöfen in Walddorfhäslach umher. Beides gibt es so nicht mehr. Dafür eine "mega gute Pyramide" der listig verschlagenen Dachmarder der dort ansässigen Narren. Die Sondelfinger Füchse zeigen sich nicht nur mit ihren Masken wendig, verschmitzt und pfiffig, sondern legen dazu noch unter laszivem Hüfteinsatz eine Art Salsa auf den Straßenasphalt hin. Das liebe närrische Vieh stocken noch Federvieh der Hailfinger Geesger und Geißböcke aus Nordstetten auf. Alte Traditionen lassen Unterjesinger Wengerter und Rohrauer Sandmänner wieder aufleben. Erstere knarzen mit ihren Rätschen und bringen gleich noch ein Häuschen nebst Weinlaube mit. Die Sandmänner streuen ihren Zaungästen zwar keinen Sand zur guten Nacht in die Augen, erinnern aber an die versunkene Welt der Gipsmüller und Sandbauern.

Altinger ganz vorne - Selbstredend stehen dem närrischen "Lindwurm", der sich durch die Hauptstraße seine Wege bahnt, die Altinger Moiakäfer, Nodaquäler, Hardtwaldhexa und Walterle voran. Zeremonienmeisterin Yvonne Schwertfeger nutzt die Gelegenheit, um einen Blick in die Geschichten hinter den Masken undder Häs zu werfen. Wer es noch nicht wusste, weiß jetzt etwa, warum die Weißmänner mit den teuflischen Zügen einen Moiakäfer auf ihrer Zunge kleben haben. "Als die Dorfbevölkerung während des Dreißigjährigen Krieges Hunger gelitten hat, hat sie auch Maikäfer gegessen." Nach dem Fasnetsumzug wird nicht nur schnell die Schwedenstraße, sondern ebenso bald die Altinger Turnhalle zum Spaßpartyareal.